„I feel blue“ oder wie komme ich da wieder raus

Jahresrückblick / Jahresvorschau will mir so gar nicht gelingen. Die Zeiten sind ungewiss und die Außenwelt verändert sich in einem atemberaubenden Tempo. Persönliche Veränderungen entwickeln sich langsam aber stetig, Ideen verdichten sich, Überflüssiges bleibt zurück – Prozesse, die ich im Grunde wenig beeinflußen kann. Ich lasse mich nicht mehr drängen, unmöglich mit den äußeren Veränderungen noch Schritt zu halten – also nehme ich mir die Zeit die ich brauche – und entdecke die Langsamkeit.

Trotzdem trüben immer wieder dunkle Gedanken meine Stimmung und ich suche nach Inspirationen für kreative Projekte. Ich verkrieche mich, sichte alte Fotos und begebe mich auf Zeitreise. Beschäftige mich intensiv mit dem Älterwerden und verwebe die Jugendfotos meiner Familie zu einem Bildteppich. Ich male, bekritzle und überklebe sie, ohne nach einem tieferen Sinn zu suche.

Wer bin ich und woher komme ich?

Aber es fehlt mir die Leichtigkeit, ich möchte dem Zufall wieder mehr Raum in meinen künstlerischen Arbeiten geben und übe mich im Spielerischen.

Ich experimentiere und versuche absichtlos Bilder entstehen zu lassen. Im Spiel mit freien Assoziationen. Es fällt mir nicht leicht! Der Kopf sucht immer nach vertrauten Mustern und bewertet die Ergebnisse schnell als unbrauchbar, kitschig, abgegriffen – die Liste ist lang.

Ich muss mich selbst überlisten und probiere wieder mal alles Mögliche aus. Male auf dem Boden kniend, lasse Farbtöne ineinander laufen, verdichte und lasiere, schneide aus. Versenke mich meditativ und höre klassische Musik oder tanze wild zu lauten Tönen durch mein Atelier.

Gabriele Riedel, Wasser, Acryl auf Steinpapier
Gabriele Riedel, Wasser, Acryl auf Steinpapier

Einzig die Blautöne dominieren meine Palette und ich spüre, diese Farbe tut mir einfach gut. Ich schöpfe aus der Vielfalt des Zufälligen und entwickle die Bildideen Schritt für Schritt weiter.

 

Das kleine Format

In diesen turbulenten Zeiten erscheint mir der Hang zur Größe irgendwie unpassend. Verschwenderisch, laut, protzig – wo wir uns doch alle mit der Tatsache anfreunden müssen, dass wir uns beschränken müssen um zu überleben. Oder auch teilen müssen, damit der Rest der Welt ein menschenwürdiges Dasein führen kann.

Und so wende ich mich den kleinen Formaten zu, weil die großen Dinge in mir derzeit ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit erzeugen. Sind es nicht die kleinen Dinge im Alltag die uns berühren und uns eine Ahnung von der Unendlichkeit der Schöpfung geben?

Unendlichkeit, 2022, Acryl a. L., 30*30 cm © Gabriele Riedel
Unendlichkeit, 2022, Acryl a. L., 30*30 cm

Kleine Formate erlauben mir meine Ideen spontaner umzusetzen.

Te a la menthe, 2022, Acryl a. L., 40*40 cm © Gabriele Riedel
Te a la menthe, 2022, Acryl a. L., 40*40 cm

Bildideen die ich schon lange in mir trage, finden so schneller Ihren Weg auf die Leinwand. Flüchtige Momente, Lichtspiele in der Nacht, Sehnsucht nach Reisen an magische Orte …

Le Bleu du Marrakesh, 2022, Acryl a. L., 30*30 cm © Gabriele Riedel
Le Bleu du Marrakesh, 2022, Acryl a. L., 30*30 cm

… oder die Erinnerung an farbenfrohe, marokkanische Schuh-Kunstwerke

Babouches, 2022, Acryl a. L., 30*30 cm © Gabriele Riedel
Babouches, 2022, Acryl a. L., 30*30 cm

 

 

 

Vanitas oder die Vergänglichkeit

Im November gedenken wir unseren Ahnen, erinnern uns an die Endlichkeit, an den Tod, nachdem wir dieses Thema den Rest des Jahres mehr oder weniger erfolgreich verdrängen.

Vanitas oder die Vergänglichkeit
Vanitas oder die Vergänglichkeit, 2022, Acryl a. L., 30*30 cm

Europa wurde in den vergangenen Jahrhunderten von Religionskriegen, kriegerischen Invasionen, der Pest, bitterer Armut und gnadenloser Unterdrückung heimgesucht. Somit war die Vergänglichkeit alles Irdischen und die Vergeblichkeit daran festhalten zu können, ein allgegenwärtiges Thema – insbesondere vom Mittelalter bis zum Barock.

In den vergangenen drei Jahren ist das Thema Pandemie, Krieg und seine Folgen gänzlich unerwartet wieder in unser aller Bewusstsein gerückt. Nachdem wir uns doch so viele Sicherheiten geschaffen und uns im Glauben gewiegt haben, das würde auch weiterhin so bleiben. Auch wenn viele Anzeichen schon länger dagegen sprechen …

Wie lässt sich Vergänglichkeit bildlich darstellen?

Auf der Suche nach Darstellungen dieses Themas in der Malerei bin ich bei den Vanitas Darstellungen fündig geworden. (Vanitas ein Wort für die jüdisch-christliche Vorstellung von der Vergänglichkeit alles Irdischen). Insbesondere die niederländischen Stillebendarstellungen des 17. Jahrhunderts faszinieren mich, wegen der detaillierten Malweise, den symbolträchtigen Bildelementen und deren Kompositionen.

Ich kopiere die großen Meister dieses Genres (Jan Davidsz. de Heem, Harmen Steenwijck), um von ihnen zu lernen. Ich suche mir einzelne Bildelemente, komponiere sie neu und verfremde sie.

Meine malerischen Versuche können den Originalen nicht das Wasser reichen, denn für die präzise Führung des Einhaarpinsels in mehreren Schichten fehlte mir dann doch die Geduld.

 

Farbenspiele im Oktober

Der Monat Oktober zeigt sich noch einmal in voller Farbenpracht

Farbenspiele im Oktober, 2022, Acryl a. L., 70*100 cm
Farbenspiele, 2022, Acryl a. L., 70*100 cm

Und ich nutze die Zeit und genieße den Herbst, mit seinen satten Farben, den langen Schatten und den letzten wärmenden Sonnenstrahlen.  Die Stille beruhigt meine Gedanken und eine leichte Melancholie fliegt mich an.
Ein ereignisreicher Sommer liegt hinter mir und  wieder neigt sich ein Jahr  allmählich seinem Ende zu.

Und ich nutze das ganze Farbspektrum um dieses fulminante Farbenspiel zu würdigen und abzubilden.

Waldweg im Herbst, 2018, Öl a. L., 30*30 cm © Gabriele Riedel
Waldweg im Herbst, 2018, Öl a. L., 30*30 cm

Ich freue mich schon auf die kommenden Tage und Wochen, weil ich mich dann wieder intensiver der Malerei zuwenden kann. Denn vom Frühjahr bis zum Herbst fließt ein großer Teil meiner kreativen Energie in meinen Garten.

 

 

Kinder im Krieg

Der Irrsinn des Krieges in der Ukraine nimmt kein Ende, Atomkraftwerke werden bombadiert, Russland droht mit atomaren Waffen und von Friedensverhandlungen kann keine Rede sein.

Wahrheit oder Fälschung?

Kriegskinder / 2022 / Acryl a. L. / 70*100
Kriegskinder / 2022 / Acryl a. L. / 70*100

Beim Surfen im Netz bin ich auf einer ukrainischen Instagramseite auf diese beiden Kinder im Angesicht der heranrückenden Armee gestoßen.  Inzwischen ist das Original nicht mehr auffindbar. Was auch irgendwie gleichgültig ist, da das Foto schon bei genauerer Betrachtung eine Fotomontage war. Ein salutierender Junge mit Spielzeuggewehr.

Welche Absicht hatte der Autor dieses Postings im Netz? Glorifizierung des Patriotismus oder kritische Distanz? Die Intention bleibt im Dunkeln. Aus meiner Sicht wird mit jedem Krieg eine Endlosspirale aus Haß und Gewalt aufs Neue befeuert.

Kinder transportieren Emotionen und werden bevorzugt in der medialen Bildsprache eingesetzt. Einerseits wird dadurch unser Mitgefühl verstärkt angesprochen, weil sie die Schwächsten unserer Gesellschaft sind. Andererseits bietet es sich geradezu an, die mediale Bildsprache zu hinterfragen, diese im Malprozess weiter zu verfremden und somit eine neue Perspektive einfließen zu lassen.

Hommage an den Sommer

Dieses Bild ist eine Hommage an den Sommer und paradiesische Momente.

Badende, 2022, Acryl a. L., 150*100 cm
Badende, 2022, Acryl a. L., 150*100 cm

Es gibt da so einen geheimen Ort an einem Fluß in einem südlichen Tal. Hier treffe ich mich im Sommer mit meinen Freunden und wir feiern das Leben auf eine ganz einfache und unkomplizierte Art. Wir kennen uns schon sehr lange,  respektieren uns, streiten trotzdem, schätzen uns in unseren Eigenheiten und verbringen unvergessliche Wochen miteinander – wie eine große Familie.

Zusammenleben könnte so einfach sein!

Marmor, von der Idee zur Form

ein guter Geist aus Marmor
Der gute Geist, Statuario Marmor, 2022

Von der Idee zur Form

Der Mai stand ganz im Zeichen der Form. Vorbereitung auf das Bildhauercamp in Azzano ( Italien), Ideensuche und Ideenfindung. Aufbau eines Modells, das mir später bei der Umsetzung in Marmor als Arbeitshilfe dienen sollte. Was weg ist ist weg! Bei der Arbeit am Stein, sollte man sich vorher überlegen, was man weghaut …

Die Grundidee dieser Gartenskulptur war ein schützendes Wesen zu gestalten, inspiriert durch das Qi-Gong „Unten schwer und oben leicht“.

Der Prozess

Ich hatte noch einen Block aus Statuario-Marmor, der auf seine Formwerdung wartete. Dieser Marmor wird nur in den Steinbrüchen von Carrara abgebaut und ist unter Bildhauern sehr geschätzt. Sein zartes Weiß und die besonders feine, kristalline, lichtdurchlässige Struktur, entfalten besonders im Licht ihre magische Wirkung.

Das Campo und die Umgebung

Eine wilde und grandiose Umgebung, ein kleines Bergdorf, tagsüber Hitze, Lärm und Staub am Abend Feierstunden mit Blick auf die Ebene und das Meer, Glühwürmchen Feuerwerk …

Das Ergebnis

Der gute Geist, Statuario Marmor , copyright_gabriele_riedel_art.deDer gute Geist, Statuario Marmor , copyright_gabriele_riedel_art.deDer gute Geist, Statuario Marmor , copyright_gabriele_riedel_art.deDer gute Geist, Statuario Marmor , copyright_gabriele_riedel_art.deGartenskulptur aus Marmor © Gabriele Riedel

Konzentrierte Arbeit im im Kreise von Künstler*innen, mit Maschinen und der Hand, Unterstützung durch erfahrene Bildhauer.  Anregende Gespräche mit Menschen aus unterschiedlichen Nationen, dabei das Weltgeschehen und die Krisen nur am Rande gestreift. Hauptthema ist die Arbeit am Stein, die Formgebung, die persönlichen Höhen und Tiefen. Und im gemeinsamen TUN, lernt man sich in diesen zwei Wochen ganz anders kennen, unverstellter, ehrlicher, offener. Es war eine sehr schöne Zeit mit allen Beteiligten!

 

Und wer mehr über das Campo erfahren möchte klickt hier weiter …

Frühling

Der Monat April startet mit Schnee und Eiseskälte, so hätte ich mir den Winter gewünscht. Aber die kreative Macht der Natur lässt sich nicht bremsen und das Leben kehrt kraftvoll und lautstark zurück.

In diesem Monat konzentriere ich meine Energie auf den Garten. Altes Abgestorbenes entfernen, Sträucher beschneiden, Rosen düngen, Blumen pflanzen, Gemüsebeete vorbereiten und die ersten Pflanzen für die Sommerernte vorziehen.

Ich freue mich, dass ich wieder draußen spielen kann. Die abgeschnittenen Weidenruten sind einfach zu schön um sie zu kompostieren.

Weidenruten, Gartenobjekt, Sonnenrad
Weidenruten, Gartenobjekt, Sonnenrad

Und im Hinterkopf frage ich mich welchen Sinn das haben kann, wenn mitten in Europa ein unsinniger Krieg wütet und eine friedliche Lösung in weiter Ferne liegt.

Leben pflegen statt Zerstörung

Ich habe keine Antwort auf diesen Irrsinn; ich kann nur kleine Paradiese schaffen und erhalten.

Apfelblüte, 2018, Öl a. L. ,30*30cm
Apfelblüte, 2018, Öl a. L. ,30*30cm

Und möchte dadurch Freude schenken und den Blick auf die Schönheit der Natur lenken. Ich glaube daran, dass die unmittelbare Begegnung mit der Natur uns heilen kann.

Das Erlebnis der natürlichen Vielfalt sensibilisiert, und ich wünsche mir so sehr – dass wir unsere Kraft und unsere Ideen für den Erhalt unseres Planeten und unserer Lebensgrundlagen einsetzen. Anstatt unsere Erde durch Gier und Größenwahn zu zerstören!

Marmorkopf © Gabriele Riedel
Gartenskulptur aus Marmor

 

 

 

Freiheit ein Sinnbild

Krieg in Europa. Die russische Armee überfällt die Ukraine und bombardiert die Städte. Zivilisten sterben, Flüchtlingsströme verlassen das Land. Putin droht mit Atomkrieg und wir sind alle schockiert. Damit haben wir nicht gerechnet und alles steht plötzlich in Frage: Frieden, Abrüstung, Freiheit, Humanität?

Wem kann ich glauben, was steckt noch hinter der der offiziellen Kriegspropaganda? Wie kann ich das unfassbare Grauen in eine Bildsprache umsetzen ohne dass es pathetisch wird?

Schwalben, 2022, Acryl a. L., 70*100cm

Die Situation lähmt mich. Und dann bemerke ich die Schwalben, sie sind zurück! Wie jedes Jahr, sammeln sie sich nach und vor ihrer langen Reise vor meinem Fenster auf dem Telefondraht.

Freiheit wie ich sie mir vorstelle.

 

Abschied

Jetzt sind in kürzester Zeit gleich drei Menschen die ich geschätzt und sehr gerne gehabt habe, gestorben. Wir haben uns zeitweise aus den Augen verloren, aber die Endgültigkeit des Todes trifft mich doch sehr.

Irgendwie sind sie für mich noch nicht ganz weg, aber wo sind sie hingegangen? Das übliche Trauern und Abschiednehmen fällt mir schwer. Ich male einfach und setze mich weiterhin mit dem Thema Berge und Landschaft auseinander. Und neue Farben erobern den Platz auf meiner Palette.

Manchmal muss es einfach Pink sein und ich beschließe das Bild Abschied zu nennen.

Abschied, Acryl a. L. , 2022, 120*80 cm
Abschied, Acryl a. L. , 2022, 120*80 cm